Könnten sich die Mieten in Leipzig verdoppeln?

Die Frage, ob sich die Mieten in Leipzig in den kommenden Jahren verdoppeln könnten, sorgt derzeit bei vielen Bürgerinnen und Bürgern der bevölkerungsstärksten sächsischen Metropole für Beunruhigung. Hintergrund ist ein Warnruf an die Politik in Berlin, den Vertreterinnen und Vertreter verschiedener sächsischer Wohnungsgenossenschaften bei einem Treffen am 9. April 2024 in Leipzig formuliert haben. Angesichts zu erwartender hoher Belastungen in den nächsten Jahren forderten sie eine deutlich stärkere finanzielle Unterstützung von Wohnungsgenossenschaften und -verbänden in Ostdeutschland. Alternativ käme für sie auch eine Veränderung der aktuellen Rahmenbedingungen, Fristen und generellen Vorgaben für die Umsetzung der bis zum Jahr 2045 zu erreichenden Klimaneutralität infrage.

Gegensätzliche Wohnungsmarktsituationen in Ost und West

Dieses Ziel, das die Bundesregierung mit der letzten Novelle des Klimaschutzgesetzes festgeschrieben hat, ist aus Sicht der Wohnungsgenossenschaften unter den aktuellen Bedingungen im Osten Deutschlands nicht erreichbar. Grund seien die Wohnungsmarktverhältnisse. Diese unterscheiden sich im überwiegenden Teil der östlichen Bundesländer grundlegend von denen in den meisten anderen Teilen Deutschlands. So sind derzeit in den großen Metropolen und Ballungsräumen Deutschlands, aber auch in vielen ländlichen Gebieten der alten Bundesländer kaum freie Wohnungen zu finden. Der Osten hingegen weist einen durchschnittlichen Wohnungsleerstand von 8,23 Prozent auf – mit steigender Tendenz.

Mieten reichen kaum für notwendige Investitionen

Gleichzeitig liegen die Mieten in einem so niedrigen Bereich, dass sich damit nach Aussage der Wohnungsgenossenschaften kaum Investitionen finanzieren lassen. Von durchschnittlich 5,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter und Monat bleiben ihnen gerade einmal zwei Cent monatlich für Investitionen übrig. Um die für das Erreichen der Klimaneutralität in den Wohnungsbeständen notwendigen Maßnahmen aus Mieteinnahmen zu finanzieren, wäre eine Erhöhung der Kaltmieten auf das Doppelte des gegenwärtigen Niveaus erforderlich. Dies könne und wolle man aber nicht, da man für die Menschen auch eine soziale Verantwortung habe, so die Position der Genossenschaften.

Ein Mietpreisstopp – keine realistische Option

Von der SPD erhobenen Forderungen nach einem flächendeckenden Mietenstopp erteilen die Wohnungsbauexperten allerdings ebenfalls eine Absage. Ein Mietpreisstopp funktioniere im Osten einfach nicht, weil man außer den Einnahmen aus den Mieten kaum andere Möglichkeiten habe, die vom Klimaschutzgesetz verlangten Investitionen zu finanzieren. Zudem spielten im Osten auch 34 Jahre nach der Wiedervereinigung noch Altschulden eine Rolle, und die Betriebskosten seien ein „nicht kontrollierbares Pulverfass“.

Was spricht für oder gegen eine Verdoppelung der Mieten?

Eine Verdoppelung der Mieten hätte für die Mieterinnen und Mieter in Leipzig fatale Folgen, zumal das Einkommensniveau im Osten Deutschlands immer noch niedriger ist als im Westen. Besonders gravierend wäre eine solche Entwicklung für alleinstehende Rentnerinnen und Rentner und Studenten, die sich so schon teilweise mit fragwürdigen Jobs über Wasser halten müssen. Mit rund 33 Prozent ihres Einkommens liegen sie bereits heute an der Spitze, wenn man die durchschnittliche Gesamtmietbelastung der verschiedenen Haushaltstypen in Leipzig vergleicht. Eine Verdoppelung der Mieten in näherer Zukunft ist allerdings auch unabhängig von der Position der Wohnungsgenossenschaften ein Szenario, mit dem in Leipzig eher nicht zu rechnen sein dürfte. Dagegen sprechen vor allem demografische Trends.

Wachsende Metropole – aber schrumpfendes Umland

Eine Anfang April 2024 vorgestellte Studie der Bertelsmann Stiftung zur voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2040 gibt dafür einige Anhaltspunkte. Insgesamt werde die Bevölkerung Deutschlands zwischen 2020 und 2040 zwar um rund 0,6 Prozent wachsen, doch verlaufe die Entwicklung in den einzelnen Landesteilen sehr unterschiedlich, so eine ihrer Kernaussagen. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern und im Saarland sei mit Bevölkerungsrückgängen zu rechnen. Leipzig gehört zwar zusammen mit Potsdam und Bamberg zu jenen kreisfreien Städten, für die innerhalb des Prognosezeitraumes ein besonders starkes Bevölkerungswachstum von mehr als zehn Prozent erwartet wird, doch für das Leipziger Umland gilt das Gegenteil. Während Zuzug und angespannte Wohnungsmärkte in Städten wie Berlin und München – aber beispielsweise auch in Frankfurt am Main oder in Stuttgart – die Einwohnerzahlen im Umland ebenfalls steigen lassen, bildet das Leipziger Stadtgebiet mit seiner wachsenden Bevölkerung eine Ausnahme innerhalb eines großen Bereiches, für den überwiegende starke bis sehr starke Bevölkerungsrückgänge prognostiziert werden.

Die Politik muss handeln

Das dürfte auch das Potenzial für Mietpreissteigerungen in Leipzig begrenzen. Denn solange in der näheren Umgebung der Stadt die Einwohnerzahl und damit auch der Bedarf an Wohnungen abnimmt, bieten sich für Leipziger Mieterinnen und Mieter immer noch Ausweichmöglichkeiten, die es in vielen anderen Großstädten Deutschlands in dieser Form nicht mehr gibt. Das Dilemma, mit dem sich die Wohnungsbaugesellschaften der Stadt konfrontiert sehen, dürfte also tatsächlich nur durch eine politische Intervention zu lösen sein. Denn wenn die Mieten jetzt schon kaum für Investitionen ausreichen und ein Anstieg auf das theoretisch notwendige Maß kein realistisches Szenario ist, bleiben wohl tatsächlich nur die beiden von den Wohnungsgenossenschaften genannten Optionen übrig: Entweder es werden zusätzliche finanzielle Mittel für Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen bereitgestellt, oder die Anforderungen an die Wohnungsunternehmen werden gesenkt. Der Ball liegt in beiden Fällen im Feld der Politik, denn für beide Wege bedarf es entsprechender politischer Entscheidungen.

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