Industriekultur in der Region Leipzig

Zeugen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert

Neben Burgen und Schlössern, familienfreundlichen Wasserwanderwegen und einer idyllischen Heidelandschaft zählt auch die regionale Industriegeschichte zu den bedeutenden Anziehungspunkten in der Region Leipzig. Großflächige Industriekomplexe, erbaut aus solidem Backstein, sind in Leipzig bis heute Zeugen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert.

Inzwischen sind in die früheren Fabrikhallen Künstlerateliers, Galerien, Museen oder technische Denkmäler eingezogen und beleben die Kulturszene neu. Spezielle Tourenangebote zum Thema Industriekultur eignen sich dabei hervorragend zur individuellen Erkundung.

Bergbau-Technik-Park am Störmthaler See

Das Leipziger Neuseenland verdankt seine Entstehung der jahrzehntelangen Gewinnung, Veredlung und Nutzung der Naturressource Braunkohle. Auf ca. 5,4 Hektar tagebautypischen Geländes präsentiert der Bergbau-Technik-Park am Störmthaler See authentisch und nachvollziehbar den kompletten Förderzyklus eines Tagebaubetriebes. Der Bogen spannt sich vom Rückbau der kultivierten Landschaft hin zur Vorbereitung des Vorfeldes und der Grundwasserabsenkung, über die Abraumbewegung und die Kohlegewinnung bis zum Wiederaufbau des Geländes und der Sanierung ganzer Landschaftsräume. Kleine und große Besucher, Technik-Interessierte, Familien, Schulklassen, Eisenbahnfans, ehemalige Bergleute wie auch vom Bergbau Betroffene können im Park viel Wissenswertes erfahren oder sich in alte Zeiten zurückversetzen. Kernstück der Ausstellung sind zwei Großgeräte aus dem ehemaligen Großtagebau Espenhain – der Schaufelradbagger 1547 (1.300 Tonnen, Baujahr 1986) und das Bandabwurfgerät (Absetzer) 1115 (2.400 Tonnen, Baujahr 1985). Die Begehbarmachung der beiden Großgeräte ist in Arbeit. In angrenzenden Ausstellungsbereichen wird detailliert über einzelne Aspekte der technischen und logistischen Bereiche informiert. Neben den beiden Großgeräten kann verschiedene Schienen- und Entwässerungstechnik besichtigt werden, welche im Tagebaubetrieb eingesetzt wurde. Sehr interessant sind auch die zwei Kommando-Führerstände der im Jahre 2001 gesprengten Abraumförderbrücke aus dem Tagebau Zwenkau, in denen sich heute die Kasse und ein Ausstellungsraum befinden. Im Ausgangsbereich können Besucher das E-Haus, das letzte noch existierende Trafohaus des Tagebaus Espenhain, besichtigen. Hier wurde die für den Betrieb der Großgeräte benötigte Elektrospannung erzeugt. Heute befindet sich auch hier ein Ausstellungsraum. Im hinteren Bereich des Bergbau-Technik-Parks wird an den mit dem Tagebaubetrieb verbundenen Heimatverlust und das Verschwinden ganzer Dörfer erinnert. Der gesamte Parkbereich erschließt sich dem Besucher durch 24 Tafeln in den entsprechenden Ausstellungsbereichen. Die mit Bildern untersetzten, erklärenden Texte sind für Kinder und Erwachsene unterteilt. In den vertiefenden, 60-minütigen Führungen wird im Rundgang um den Schaufelradbagger ein Überblick über den kompletten Förderzyklus gegeben. Die 90-minütigen Führungen der ehemaligen Mitarbeiter des Tagebaus Espenhain, wie auch die Audio-Guides in deutscher und englischer Sprache, geben Einblicke zu den Geräten und erzählen dabei aus dem erlebnisreichen Arbeitsleben.

Pferdebahn in der Stiefelstadt Döbeln

Der Ursprung aller heutigen Nahverkehrsmittel ist in der Stiefelstadt Döbeln zu sehen. In Deutschland hat es Ende des 19. Jahrhunderts in über 90 Städten und weltweit sogar 1.700 Pferdestraßenbahnen gegeben – eine davon in Döbeln. Die alte Döbelner Pferdebahn war von 1892 bis 1926 auf einer 2,5 Kilometer langen Strecke vom Hauptbahnhof zur Innenstadt als öffentliches Nahverkehrsmittel in Betrieb. Seit Juni 2007 kann man das nostalgische Fahrgefühl von einst mit der originalgetreu restaurierten Döbelner Pferdebahn, die in der Art einzigartig in Deutschland ist, auf einer ein Kilometer langen Schienentrasse in der Innenstadt erleben. Zudem wurde in Döbeln ein Museum eingerichtet, in dem Bildmaterial und Ausstellungsstücke zum Thema Pferdestraßenbahn gezeigt werden. Auf 50 Schautafeln ist die wechselvolle und teilweise kuriose Geschichte der Pferdebahn dargestellt.

Historische Schmalspurbahn „Wilder Robert“ zwischen Mügeln und Oschatz

Der „Wilde Robert“ stellt ein charakteristisches Merkmal für die Region um Mügeln und Oschatz dar. Die Wurzeln der Schmalspurbahn reichen dabei weit in die Geschichte zurück. Während sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den sächsischen Ballungsräumen Leipzig, Dresden und Chemnitz unzählige Industriebetriebe ansiedelten, waren die Bereiche von Mittel- und Nordsachsen vor allem durch die Landwirtschaft geprägt. In der Gegend um Mügeln begann 1884 mit einem provisorisch eingerichteten Rübentransport die Eisenbahngeschichte und somit die industrielle Erschließung der Region. Im Laufe der Zeit wurde das Streckennetz der kleinen Schmalspurbahn immer weiter ausgebaut und erreichte mit 91,7 Kilometern seine größte Ausdehnung. Der „Wilde Robert“ beförderte nicht nur landwirtschaftliche Produkte, sondern auch bis zum Jahre 2001 Kaolin, welches bis heute im nahegelegenen Kemmlitz abgebaut wird. Der Kaolinabtransport durch die Schmalspurbahn sicherte immerhin 98 Jahre das Bestehen und war über viele Jahrzehnte das Haupttransportgut der Bahn. Heutzutage erfüllt die Döllnitzbahn ihre Aufgaben genauso zuverlässig wie vor über 125 Jahren. Mit ihren Dampf- und Dieselloks zählt die Schmalspurbahn zu den wichtigsten Tourismusfaktoren in der Region und ist nicht nur eine Attraktion für Eisenbahnbegeisterte. Ganze Generationen sind mit dem schnaufenden Geräusch der Döllnitzbahn aufgewachsen und vertraut. Die Reise mit dem „Wilden Robert“ beginnt in Oschatz. Er fährt entlang des Flüsschens Döllnitz, vorbei am Park und dem Rosenthal. Nach 20-minütiger Fahrt verlässt die Döllnitzbahn Oschatz in Richtung Mügeln und taucht in die Wiesen- und Auenlandschaften des Döllnitztales ein. Nach 15 Kilometern Fahrstrecke erreichen die Gäste in Mügeln den ehemals größten Schmalspurbahnhof Deutschlands. Dort angekommen, bleibt Zeit für eine kurze Rast und die Gelegenheit, den Bahnhof ein wenig näher zu erkunden. Eingebettet in den Geopark Porphyrland Steinreich in Sachsen kann die Welt des Kaolins im Geoportal Bahnhof Mügeln erforscht werden. Für Besucher eröffnet sich hier ein multimediales Erlebnis, das bei dem Gestein Kaolin beginnt und bis zur Entstehung der regionalen Keramikindustrie reicht. Weiterhin wird über das einst größte Schmalspurnetz Deutschlands informiert. Im Anschluss daran setzt sich der Zug auf schmaler Spur mit dem Ziel Glossen bzw. Kemmlitz wieder in Bewegung. In Glossen besteht die Möglichkeit, an bestimmten Fahrtagen in die historische Feldbahn umzusteigen.

Feldbahn Glossen – Eine Bahnfahrt im offenen Wagen

Der stillgelegte Quarzitsteinbruch in Glossen ist mit seiner Feldbahn sowie funktionstüchtigem Steinbrecher und Eimerkettenbagger ein wichtiges Zeugnis der Bergbau- und Industriegeschichte. Wer mit dem „Wilden Robert“ anreist, erlebt im Bahnhof Glossen den Umstieg von 750 mm auf 600 mm Spurbreite der Feldbahn. Seit dem Jahr 1995 finden hier öffentliche Fahrten statt. Die Verladerampe, bis 1972 wurde hier das Quarzitgestein auf die Waggons des „Wilden Roberts“ umgeladen, ist heute Umsteigestation für Besucher. 2002 ging die Strecke bis zur ehemaligen Bahnstation Glossen wieder in Betrieb. Hier stellten die Vereinsmitglieder ihre handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis, als sie die marode gewordene Steinbrecheranlage wieder funktions- und somit vorführgerecht in Betrieb setzten. Die einstündige Rundfahrt mit der Feldbahn geht über zwei Brücken hinauf zum Steinbruch. Die kurzen Stopps bieten Möglichkeiten zu fotografieren und kurze Rundgänge zu unternehmen. Dabei laden Schautafeln zum Betrachten ein und geben Aufschluss über die Verwendung des Gesteins oder zur früher verwendeten Technik. Auch dem Naturschutz sind Tafeln gewidmet, die über die Pflanzen- und Tierwelt informieren.

Das technische Denkmal – Ziegelei Erbs in Pegau

Das Technische Denkmal Ziegelei Erbs wurde 1909 von Julius Erbs gegründet und nahm im Jahr 1911 die Produktion von jährlich 2,5 Millionen Ziegelsteinen auf. Als Rohstoff diente der Auenlehm. Besonders hoch war der Ziegelbedarf im regionalen Markt, zum Beispiel nach dem Krieg für den Wiederaufbau der Leipziger Oper. Ein Dutzend Frauen und Männer erledigten die schwere Arbeit in der Saison von Frühjahr bis Winter für die Familien Erbs und Zobel. Noch heute sind Trockenschuppen und Brennofen im nahezu ursprünglichen Zustand erhalten. Eimerkettenbagger, Kipplorenbahn, Berliner Bockkarre und Grabholz sind sogar funktionstüchtig. Mitte der 1970er Jahre stellte die Ziegelei infolge der Erkrankung des letzten Ziegeleibesitzers Walter Zobel die Produktion ein. Im Jahr 1980 wurde das Objekt unter Denkmalschutz gestellt und 1992/93 restauriert. Seit 1994 ist die Ziegelei als technisches Denkmal öffentlich zugänglich. Heute machen Schulen und andere Bildungseinrichtungen die Ziegelei Erbs zum Ziel von Wandertagen. Mit den restaurierten technischen Anlagen und Einrichtungen kann demonstriert werden, wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Ziegelsteine (Mauersteine) hergestellt worden sind. Dazu gehört auch das vorindustrielle Handstrichverfahren.

Hängebrücke Grimma

Sachsens längste Hängebrücke überspannt mit 80 Metern die Mulde bei Grimma. Sie verbindet das Stadtgebiet mit dem Stadtpark am gegenüberliegenden Muldeufer. Die Hängebrücke wurde 1924 erbaut, 1945 gesprengt und vier Jahre später als genietete Konstruktion wiedererrichtet. Während der beiden Hochwasser 2002 und 2013 wurde sie schwer beschädigt, so dass sie für mehrere Monate nicht zugänglich war. Heute ist sie vollständig wiederhergestellt und wird von Wanderern und Radfahrern oft passiert.

Leipziger Baumwollspinnerei im Wandel

Vor über 130 Jahren kaufte die Leipziger Baumwollspinnerei AG ein Grundstück von ca. 10 Hektar Größe im Leipziger Westen und errichtete darauf bis zum Jahre 1907 die größte Baumwollspinnerei Kontinentaleuropas. Diese faszinierende Fabrikstadt mit Arbeiterwohnungen, Gartensiedlungen und eigenem Kindergarten ist heute noch komplett erhalten. Seit der Abwicklung der Baumwollgarnproduktion 1992 ist der Ort einem ständigen Wandel unterzogen. Wo sich früher über 240.000 Spindeln täglich drehten, befindet sich heute ein Zentrum der europäischen Kunstszene. Zwischen den charakteristischen Backsteinbauten bietet sich der Rundgang der SpinnereiGalerien an, der dreimal jährlich zehntausende Besucher anzieht.

Vom Heizkraftwerk zum Kunstkraftwerk

Von 1964 bis 1992 brannte im Kesselhaus des Leipziger Heizkraftwerks in Lindenau in drei riesigen Kohleöfen das Feuer, gefüttert von Kohlebunkern, angefacht von Druckluft, überwacht von Kesselwärtern, Schichtführern, Aschemännern. Mit der erzeugten Thermik wurde Wasser erhitzt und über Rohrleitungen zu Industriebetrieben im Leipziger Westen geliefert. 1992 erfolgte die Stilllegung des Kraftwerks. Im Jahr 2012 kauften Markus Löffler, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik und Architekt Ulrich Maldinger das Objekt. Ab 2015 begann die Nutzung als Ort für 360°-Videoshows, Kunstausstellungen, Theater, Konzerte unter dem Namen Kunstkraftwerk Leipzig. Wichtig war den Betreibern, dass der Charakter des Industriegebäudes erhalten bleibt. Schwerpunkt sind immersive Kunstprojekte, die in außergewöhnlicher Weise mit ihrer industriellen Umgebung korrespondieren. Für raumgreifende Erlebnisse sorgt das größte Videoprojektionssystem Deutschlands.

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