
Stadtschwärmer Leipzig
Wer keinen Insider kennt, schnappt sich dieses Buch und wird an die liebsten Orte von waschechten... Weiterlesen
Leipzig verändert sich – nicht nur in Hinblick auf das Stadtbild, sondern auch hinsichtlich des Energiesystems. Was noch vor wenigen Jahren nach langwieriger Zukunftsvision klang, nimmt heute konkrete Formen an.
Mitten im sächsischen Ballungsraum entstehen immer mehr Anlagen, Pläne und Strategien, die nicht nur symbolisch für Klimaschutz stehen, sondern schon heute eine reale Wirkung entfalten. Der Umbau betrifft dabei zentrale Lebensbereiche, wie Heizen, Stromversorgung, Stadtplanung, Industrie und die Haushalte.
Die folgenden Entwicklungen zeigen, wie die Stadt diesen Wandel strukturiert angeht – Schritt für Schritt.
Leipzig verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2040 vollständig klimaneutral zu werden. Für die Stadtverwaltung gilt das noch ambitioniertere Zieljahr 2035.
Es geht hier nicht nur um leere Absichtserklärungen, sondern um verbindliche Maßnahmen, deren Fortschritt nachvollziehbar dokumentiert wird. Die Grundlage bildet ein langfristiger Transformationsprozess, der bereits 2019 angestoßen wurde.
Seither wurden wesentliche Steuerungsinstrumente etabliert, darunter ein haushaltsbezogenes Bewertungsverfahren, welches Investitionen nach ihrer Klimawirkung einordnet. Dieses Verfahren macht sichtbar, an welchen Stellen Geld effektiv eingesetzt wird und welche Bereiche noch Nachbesserungen benötigen.
Eine zentrale Rolle spielen die systematischen Analysen der städtischen Emissionen, der Energieflüsse und der technischen Infrastruktur. Die Stadt verzichtet bewusst auf symbolpolitische Einzelmaßnahmen und setzt stattdessen auf koordinierte, sektorübergreifende Strategien.
Zu den größten Hebeln zählt die Wärmeversorgung, die derzeit grundlegend umgestellt wird. Ergänzend dazu entsteht ein umfassendes Klimaschutzkonzept, das ab diesem Jahr als verbindlicher Rahmen für alle nachgelagerten Maßnahmen dient. Im Zuge der laufenden Planungen ergibt sich auch immer wieder die Möglichkeit, neue Finanzierungsformen einzubinden – beispielsweise in Form eines PV Investments, das direkt an regionale Projekte und städtische Infrastrukturen gekoppelt ist.
Die Neuausrichtung der städtischen Wärmeversorgung zählt zu den wichtigsten Bausteinen der Energiewende in Leipzig.
Aktuell stammt nur ein kleiner Teil der eingespeisten Fernwärme aus erneuerbaren Quellen. Das soll sich allerdings schon bald grundlegend ändern. Die Stadt verfolgt das Ziel, spätestens bis 2045 eine nahezu vollständig klimaneutrale Wärmeversorgung zu erreichen.
Dazu wurde eine umfassende kommunale Wärmeplanung angestoßen. Sie analysiert die aktuelle Versorgungssituation, bewertet die technischen Potenziale der einzelnen Stadtteile und entwickelt Szenarien für die zukünftige Struktur. Dafür werden sowohl zentrale als auch dezentrale Versorgungsformen berücksichtigt. Wärmepumpen, industrielle Abwärme, Geothermie, Solarthermie und saisonale Speicher stehen im Fokus. Die Umsetzung erfolgt in Etappen, wobei sozial verträgliche Tarife und stadtteilbezogene Lösungen beachtet werden.
Bereits bis Mitte 2026 müssen auf Grundlage geltender Gesetzgebung verbindliche Wärmepläne für das gesamte Stadtgebiet vorliegen. Leipzig liegt bisher im Zeitplan und hat erste Quartierskonzepte bereits öffentlich vorgestellt. Die Wärmeplanung wird zudem nicht isoliert gedacht, sondern geschickt mit dem Ausbau des Stromnetzes, der Gebäudesanierung und der Mobilitätsstrategie verknüpft.
Im Stadtteil Lausen Grünau entsteht derzeit ein Projekt, das bundesweit für Aufmerksamkeit sorgt. Dort bauen die Leipziger Stadtwerke gemeinsam mit einem spezialisierten Partnerunternehmen derzeit eine der größten Solarthermieanlagen.
Auf einer Fläche von über 14 Hektar werden zehntausende Vakuumröhrenkollektoren installiert. Diese sammeln Sonnenwärme, wandeln sie in Heißwasser um und speisen sie anschließend direkt in das Fernwärmenetz der Stadt ein.
Die Anlage soll ab 2026 rund 26 Gigawattstunden Wärme pro Jahr liefern. Im Sommer kann sie an einzelnen Tagen sogar bis zu einem Fünftel des städtischen Bedarfs abdecken. Auf das Jahr gerechnet liegt ihr Anteil im einstelligen Prozentbereich, was angesichts der Größe des Netzes beachtlich ist. Begleitend entstehen ökologisch gestaltete Ausgleichsflächen mit Blühwiesen, Sträuchern und Obstbäumen.
Das Projekt wird vollständig in Leipzig geplant, gebaut und betrieben. Die Finanzierung erfolgt zum Teil durch kommunale Mittel, ergänzt durch gezielte Förderprogramme. Für die Bürger:innen bedeutet das: mehr Preisstabilität, weniger fossile Abhängigkeit und ein sichtbares Zeichen, dass die regionale Energiewende ernst genommen wird.
Nur wenige Kilometer südlich von Leipzig liegt ein weiteres Großprojekt, das den Wandel in der Energieversorgung greifbar macht.
Auf einem ehemaligen Braunkohle-Tagebau entstand mit dem Energiepark Witznitz eine der leistungsstärksten Photovoltaikanlagen Europas. Die installierte Gesamtleistung liegt bei 650 Megawatt. Bereits seit dem Frühjahr 2024 speist ein Großteil der Module Strom ins Netz ein.
Die Anlage wurde ganz ohne öffentliche Förderung realisiert und zeigt, wie wirtschaftlich Photovoltaik heute betrieben werden kann. Durch langfristige Lieferverträge mit Industrieunternehmen wird die Abnahme gesichert. Auch für die Netzstabilität leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag: Dank moderner Steuerungstechnik kann der Solarpark Spannungshaltung übernehmen und Blindleistung bereitstellen.
Wichtig ist dabei nicht nur die Strommenge, sondern auch die Art der Flächennutzung. Das Gelände wurde in den vergangenen Jahren renaturiert und gezielt für den kombinierten Zweck aus Naturschutz und Energiegewinnung vorbereitet. Auf diese Weise entstand ein Musterbeispiel für die Umwandlung industriell genutzter Landschaften in einen nachhaltigen Zukunftsstandort.
Trotz des starken Fokus auf die erneuerbaren Energien bleibt der kurzfristige Bedarf an gesicherter Leistung bestehen.
Um die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, wurde 2023 im Leipziger Süden ein neues Gaskraftwerk in Betrieb genommen. Dieses basiert auf dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung und nutzt den Brennstoff mit einem Wirkungsgrad von über 90 Prozent.
Schon bei dem Bau des Werks wurde über den späteren Einsatz von grünem Wasserstoff nachgedacht. In der aktuellen Übergangsphase liefert es zuverlässig Strom und Wärme, insbesondere in Zeiten, in denen die Einspeisung aus erneuerbaren Quellen schwankt. Damit erfüllt es eine wichtige Brückenfunktion, bis die anderen Technologien vollständig einsatzbereit sind.
Der rechtliche Rahmen für die genannten Entwicklungen ist klar definiert. Seit Anfang 2024 gilt das neue Wärmeplanungsgesetz, das Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern dazu verpflichtet, bis spätestens 2026 verbindliche Planwerke zur Wärmeversorgung vorzulegen. Leipzig erfüllt diese Vorgaben nicht nur formal, sondern nutzt sie gleichzeitig als strategische Chance.
Das Land Sachsen unterstützt die Umsetzung durch begleitende Regelungen und fördert die Zusammenarbeit mit den kommunalen Versorgern. Auch die Bundesebene begleitet den Prozess in Form von Fördermitteln und regulatorischen Anreize.
Auf dieser Grundlage entsteht ein Zusammenspiel von Planung, Technik, Finanzierung und Kommunikation, das im Idealfall auch andere deutsche Städte inspiriert.
Die Energiewende stellt in Leipzig kein abstraktes Projekt dar. Sie ist eine konkrete Abfolge von Entscheidungen, Planungen und Bauvorhaben.
Die Beispiele aus Lausen-Grünau, dem Tagebaugebiet südlich der Stadt und dem neuen Kraftwerk zeigen, wie viel in kurzer Zeit erreicht werden kann. Gleichzeitig bleibt noch viel zu tun – vor allem in der Breite. Gebäudesanierungen, Ladeinfrastruktur, Schulnetzwerke, Mobilitätsverknüpfung und Energiespeicher zählen zu den nächsten Meilensteinen, die angegangen werden sollen. .
Dennoch: Das Fundament steht. Leipzig geht den Weg nicht mit PR-Kampagnen, sondern mit realen Projekten.