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DOK Leipzig 2022 / Heim (Regie: Angelika Andrees, Petra Tschörtner), Foto: DEFA-Stiftung / Julia Kunert, Thomas Plenert
DOK Leipzig 2022 / Heim (Regie: Angelika Andrees, Petra Tschörtner), Foto: DEFA-Stiftung / Julia Kunert, Thomas Plenert

Retrospektive von DOK Leipzig würdigt Dokumentarfilmerinnen der DDR

Filme von Helke Misselwitz, Tamara Trampe, Petra Tschörtner und Angelika Andrees sowie Neu- und Wiederentdeckungen der DDR-Filmgeschichte

06.09.2022Veranstaltungen
DOK Leipzig

Die diesjährige Retrospektive von DOK Leipzig nimmt einen vernachlässigten Teil der deutschen Film- und Fernsehgeschichte in den Blick: das dokumentarische Werk von Frauen in der DDR.

„Die Dokumentaristinnen der DDR“, kuratiert von Carolin Weidner und Felix Mende, entstand in dem Wissen, dass nur wenige Regisseurinnen aus der ehemaligen DDR den Sprung ins Dokumentarfilmgedächtnis geschafft haben. Was hieß es, Dokumentarfilmerin in der DDR zu sein? Welche Filme sind in vierzig Jahren entstanden?

Die sechs Programme der Retrospektive umfassen Institutionenporträts, Essays und Alltagsbeobachtungen – darunter DEFA-, Hochschul- und TV-Produktionen von der Staatsgründung 1949 bis zum Jahr des Mauerfalls. „Wir haben viel Zeit darauf verwendet, eine Bestandsaufnahme durchzuführen“, sagt Kuratorin Carolin Weidner. „Wichtiger Wegweiser dabei war das Buch ‚Sie. Regisseurinnen der DEFA und ihre Filme‘, herausgegeben von Cornelia Klauß und Ralf Schenk.“

Die Werke von renommierten Dokumentarfilmerinnen wie Helke Misselwitz („Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann“, 1989), Tamara Trampe („Ich war einmal ein Kind“, 1986) und Petra Tschörtner („Hinter den Fenstern“, 1984), die nach der Deutschen Einheit ihre Arbeit fortsetzten, bilden den bekannteren Teil der Filmreihe.

In vielen Filmen ist ein persönlicher Zugang und eine an individuellen Erfahrungen interessierte Auseinandersetzung mit dem Leben im Sozialismus erkennbar. Sie widmen sich Themen wie Arbeit und Kunst, Kindheit und Mutterschaft. Sie erkunden Frauenperspektiven ebenso wie die männlich dominierte Welt der Nationalen Volksarmee.

Es entstanden aber auch unter weiblicher Regie Filme, die merklich von der SED-Diktatur geprägt sind, wie Co-Kurator Felix Mende betont: „Ebenso sehr wie Männer wurden Frauen dafür eingebunden, ideologische Selbstbestätigungen zu drehen. Auch unter solchen Vorgaben entstanden natürlich einige Arbeiten, deren Blick, bei aller politischen Linientreue, eine gewisse Eigenwilligkeit aufweist und mehr erzählt als nur das eh schon Bekannte.“

Die Retrospektive präsentiert so auch staatstragend auftretende Filme („Du bist min. Ein deutsches Tagebuch“, 1969) sowie Arbeiten von Filmemacherinnen wie Dagnija Osite-Krüger („Ablinga“, 1977), die lange im Verborgenen lagen. Für die Veranstaltungen der Reihe werden Filmhistoriker*innen sowie einige der noch lebenden Filmemacherinnen erwartet.

Die DEFA Matinee ergänzt dieses Programm um das schmale DDR-Œuvre der auch in der Retrospektive vertretenen Regisseurin Angelika Andrees. Sie gehört einer Generation von Dokumentarfilmerinnen an, die in den späten 1970er-Jahren an der Babelsberger Filmhochschule ästhetische Freiheiten erprobte.

Unter dem Titel „Angelika Andrees – Der einfühlsame Blick“ sind sechs kurze Dokumentarfilme zu sehen, darunter der in Co-Regie mit Petra Tschörtner entstandene und bis 1990 verbotene Film „Heim“ (1978) über Jugendliche in einer Erziehungsanstalt. Andrees‘ Arbeiten sind sensible Porträts von Außenseiter*innen der DDR-Gesellschaft und poetische Skizzen sozialer Räume vom „Friedrichstadtpalast“ (1980) bis zum U-Bahnhof Alexanderplatz („Friedensplakate“, 1983). 1985 verließ sie die DDR und kehrte auch dem Kino fast vollständig den Rücken.

Die Matinee Sächsisches Staatsarchiv knüpft ebenfalls an die Retrospektive an. Das Programm „Sozialistische Frauenbilder – Die weibliche DDR“ zeigt Filme von Frauen zu den Themenkomplexen Frauenpolitik („Frauen unserer Zeit“, 1969), Umweltschutz („Wir und unsere Umwelt“, 1971) und Filmschaffen („Tagebuch eines Schmalfilmers“, 1975) in der DDR. Der satirische Kurzfilm „Hilfe, ich bin eine Frau“ (1981) formuliert eine feministische Kritik, die den Unterschied zwischen staatlichem Gleichstellungsanspruch und gesellschaftlichem Alltag pointiert aufzeigt.

DOK Leipzig dankt der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der DEFA-Stiftung sowie dem Sächsischen Staatsarchiv für die Förderung und Unterstützung der Filmreihen.



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