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Einspielung des Werks mit dem Vocalconsort Leipzig (Coviello Classics 2017), Foto: Konrad Stöhr
Einspielung des Werks mit dem Vocalconsort Leipzig (Coviello Classics 2017), Foto: Konrad Stöhr

Gewandhaus zu Leipzig: Franz Schuberts "Winterreise" neu im Audiostream

Besondere Fassung des GewandhausChors ab 8. Februar 2022

07.02.2022Kultur
Gewandhaus zu Leipzig

Auch wenn der Spielbetrieb im Gewandhaus seit 17. Januar 2022 wieder aufgenommen werden konnte, setzen wir die Audiostreams auf  www.gewandhausorchester.de fort. Noch immer können oder wollen nicht alle interessierten Konzertgäste ins Gewandhaus kommen; sei es, weil die Platzkapazität beschränkt ist oder weil die Gäste vorsichtig sind, sich in größeren Menschengruppen zu bewegen. Es gibt also weiterhin gute Gründe, mit dem Audiostream neu produzierte Musik zu den Menschen zu bringen. Ab 8. Februar 2022 ist der GewandhausChor mit Franz Schuberts „Winterreise“ in einer besonderen Fassung von Gregor Meyer zu hören. Der Chor singt eine Auswahl von sechs Liedern aus dem Zyklus.

Mit dem 1827 komponierten Liedzyklus Winterreise hat Franz Schubert einen der wegweisenden Liedzyklen der Musikgeschichte komponiert. Die 24 Nummern gelten als Höhepunkt des Kunstlieds und waren so stilprägend, dass der Begriff „Lied“ als Gattungsname ohne Übersetzung in anderen Sprachen verwendet wird. Die Lieder sprechen die Zuhörer emotional unmittelbar an. Auf textlicher Ebene lassen die Verse von Wilhelm Müller durch ihre Vieldeutigkeit Raum für individuelle Deutungen jeden Hörers. Müller war ein politisch aktiver Schriftsteller, der sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegen restaurative Kräfte stark machte für eine liberale Neuordnung in den Territorien des Deutschen Bundes und versuchte, seine Ideen unter dem Radar der Zensur zu verbreiten. Zu diesen verbotenen Schriften gehörte auch die in Leipzig gedruckte Zeitschrift „Urania“, in der Müller seine Verse der Winterreise publizierte. Schubert, der auch kein politisch unbeschriebenes Blatt war und systematisch von den Spitzeln des Staatskanzlers Metternich beobachtet wurde, musste sich wohl ein Exemplar besorgt haben und darin die ersten Verse der Winterreise entdeckt haben. Vor diesem Hintergrund kann man die Verse Müllers nicht nur als bürgerlich-romantische Sehnsucht nach einem besseren Leben verstehen, sondern zwischen den Zeilen auch politische Botschaften herauslesen.

Insgesamt werden die Gedichte nahezu ausnahmslos aus der Perspektive eines lyrischen Ichs erzählt, das von seinen Hoffnungen, Enttäuschungen, seinem Kummer, seinen Zweifeln, Freuden und Sehnsüchten erzählt – mithin also zeitlosen Wahrheiten und Emotionen, in denen sich jeder Hörer wiederfinden kann. Nicht umsonst gibt es eine endlose Anzahl von Gesamteinspielungen und zahllose Arrangements dieser Kompositionen.

Diese Ich-Perspektive des Erzählers ist möglicherweise mit ein Grund, weshalb mit der hier gespielten Fassung von Gregor Meyer erstmals eine Version mit Chor vorliegt. In Meyers Arrangement ersetzt oder verdrängt der Chor den Solisten nicht, sondern er wird dem lyrischen Ich zur Seite gestellt. Die Fassung greift so gut wie nie in das musikalische Material ein, sondern der Chor übernimmt Teile des Klavierparts – teils mit, teils ohne Text. Dabei bereichern die vielfältigen Möglichkeiten des Chores die musikalische Ausdeutung des Textes, zum Beispiel um lautmalerische Klangfarben. 

Die Winterreise von Schubert in der Fassung von Gregor Meyer für Chor, Solist und zwei Klaviere wurde im September 2016 mit dem Vocalconsort Leipzig uraufgeführt. Die im Audiostream zu hörende überarbeitete Version mit zwei Akkordeons hat der GewandhausChor im September 2021 in Schwarzenberg uraufgeführt.



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