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The Dependents (Regie: Sofía Brockenshire), DOK Leipzig: Internationaler Wettbewerb
The Dependents (Regie: Sofía Brockenshire), DOK Leipzig: Internationaler Wettbewerb

DOK Leipzig verkündet Filme der Wettbewerbe 2022

Filme von Sasha Kulak, Sofía Brockenshire und Mila Turajlic im Internationalen Wettbewerb

29.09.2022Veranstaltungen
DOK Leipzig

Die Wettbewerbsfilme der 65. Ausgabe von DOK Leipzig stehen fest. Mit der Nominierung der kurzen und langen Animations- und Dokumentarfilme für die Internationalen Wettbewerbe, die Deutschen Wettbewerbe sowie die Wettbewerbe um die Publikumspreise ist das Filmprogramm komplett. 74 Filme konkurrieren in diesem Jahr um die Goldenen und Silbernen Tauben, davon sind 48 Beiträge als internationale oder Weltpremiere in Leipzig zu sehen.

Der Internationale Wettbewerb langer Dokumentar- und Animationsfilm versammelt 13 Werke aus dem Dokumentarfilmbereich, darunter Erstlingswerke ebenso wie Arbeiten vielfach prämierter Filmschaffender. Die formale Bandbreite reicht vom beobachtenden Stil über performative Inszenierungen bis zur kreativen Aneignung von Archivbildern. Die Auswahl umfasst unter anderem Produktionen aus Argentinien, Kanada, den Philippinen und dem Libanon.

Drei dokumentarische Debütfilme erzählen mit unterschiedlichen Ansätzen von Biografien im Kontext gesellschaftlicher Institutionen. „The Dependents“ von Sofía Brockenshire verbindet ein Porträt ihres Vaters, eines weitgereisten Beamten der kanadischen Einwanderungsbehörde, mit Reflexionen über Grenzen, Privilegien und Abhängigkeiten. Mariana Flores Villalba filmt in „The Invisible Frontier“ die Übungen mexikanischer Militäreinheiten auf einer verlassenen Pazifikinsel – und verhandelt dabei die gewaltsamen Zustände in ihrem Land abseits der Filmbilder. Joseph Mangats „Divine Factory“ zeichnet eine Manufaktur für Heiligenbilder nahe Manila als Mikrokosmos für ökonomische, soziale und religiöse Verhältnisse auf den Philippinen. Die Debüts von Brockenshire, Villalba und Mangat feiern in Leipzig jeweils Weltpremiere.

Mehrere Filme des Wettbewerbs basieren auf Archivrecherchen. Zwei dieser Beiträge werfen einen Blick auf koloniale Machtverhältnisse: „Tropic Fever“ von Mahardika Yudha, Robin Hartanto Honggare und Perdana Roswaldy untersucht die Bilder der ehemaligen niederländischen Kolonialmacht in Indonesien und erkennt in der Plantage das Fundament ihrer Ideologie. Nach thematisch verwandten niederländischen Produktionen wie „Mother Dao, the Turtlelike“ (1995, Silberne Taube) eignet sich erstmals ein indonesischer Langfilm diese Bilder an. Mila Turajlić, der auch die diesjährige Hommage von DOK Leipzig gewidmet ist, greift derweil in ihrem neuen Film „Ciné-Guerrillas: Scenes from the Labudović Reels“ auf Aufnahmen von Titos Lieblingskameramann aus dem Algerienkrieg zurück, eine außenpolitische Mission ihres Geburtslandes Jugoslawien.

Als Weltpremiere ist die französische Produktion „A Hawk as Big as a Horse“ zu sehen, die Sasha Kulak 2021 bei DOK Industry vorgestellt hatte. Der Film porträtiert die Transgender-Ornithologin Lydia, die ihr Umfeld am Stadtrand von Moskau performativ dem Universum von „Twin Peaks“ angleicht. Der kanadische Beitrag „A Night Song“ von Félix Lamarche, ebenfalls eine Weltpremiere, beleuchtet das kontroverse Thema der Beihilfe zum Suizid. Außerdem im Wettbewerb: die neuen Werke von Nikolaus Geyrhalter („Matter Out of Place“), Corine Shawi („Perhaps What I Fear Does Not Exist“) und Hernán Fernández („Landscapes“).

Im Internationalen Wettbewerb kurzer Dokumentar- und Animationsfilm finden sich insgesamt 24 Werke, davon elf animierte und 13 dokumentarische Arbeiten. Animationsfilmkünstler*innen wie Priit Tender aus Estland und Elizabeth Hobbs aus Großbritannien, die schon bei DOK Leipzig zu Gast waren, zeigen auch in diesem Jahr die visuelle Komik der Gattung. Die dokumentarischen Beiträge führen von der abseitig gelegenen Schienenstrecke eines motorisch betriebenen Ersatzzuges in Kolumbien bis zu einer Drei-Generationen-WG im Corona-Lockdown von New York City.

Mehrere Kurzfilme reflektieren Urheberschafts- und Wahrheitsdiskurse im Kontext digitaler Bildproduktion. So hat Claudia Larcher eine Künstliche Intelligenz auf der Basis analoger Bilder einen Film kreieren lassen. Gala Hernández López widmet sich derweil Geschlechterbildern und algorithmisch beeinflussten Aufmerksamkeitsökonomien der sogenannten Incel-Szene.

„Die Filme dieser Festivalausgabe konfrontieren uns mit wahrhaftigen sozialen Realitäten, sie lehren uns aber auch, dass dem dokumentarischen Bild mit Skepsis begegnet werden muss“, sagt Festivaldirektor Christoph Terhechte. „Wenn heute Deepfakes in der digitalen Öffentlichkeit kursieren, versteht sich DOK Leipzig als Schule des Sehens, wo die Bildproduktion der Gegenwart und ihre Wahrheitskategorien kritisch diskutiert werden.“

Im Deutschen Wettbewerb langer Dokumentar- und Animationsfilm beteiligt sich „Uncanny Me“ an dieser Auseinandersetzung mit der Abbildung von Wirklichkeit. In Katharina Pethkes Film entscheidet sich eine junge Frau dafür, einen täuschend echten Avatar von sich für ihre Arbeit als Model anfertigen zu lassen – und stößt damit auf Fragen der Moral und Individualität. Die eigene Identität reflektiert auch Sarah, die Protagonistin in „The Homes We Carry“ (Regie: Brenda Akele Jorde). Sie ist die Tochter einer Deutschen und eines Mosambikaners, der in den 1980ern als einer von 20.000 Vertragsarbeitern in der DDR arbeitete. Mit dem Mauerfall musste er in sein Heimatland zurückkehren und seine Familie in Deutschland allein lassen.

Teil des Deutschen Wettbewerbs ist außerdem einer der drei neuen Filme von Heinz Emigholz, die allesamt bei DOK Leipzig zu sehen sind. „Schlachthäuser der Moderne“ übt anhand der Betrachtung argentinischer, bolivianischer und deutscher Architektur Kritik an der deutschen Geschichte. Unter den weiteren Wettbewerbsbeiträgen sind Tilman Königs Porträt seines Vaters, des ehemaligen Jenaer Jugendpfarrers, dessen Einsatz gegen Rechtsextremismus Kontroversen aufwarf („König hört auf“), außerdem „Daniel Richter“, Pepe Danquarts Betrachtung des Bildenden Künstlers, sowie der neue Film von Rainer Komers, der einen Gelsenkirchener in seiner Wahlheimat Japan begleitet („Miyama, Kyoto Prefecture“).

Auch Anne Isensee kehrt mit ihrem neuesten Werk zu DOK Leipzig und in den Deutschen Wettbewerb kurzer Dokumentar- und Animationsfilm zurück. Ebenso Falk Schuster, der zusammen mit Mike Plitt einen animierten Kurzfilm über einen Mann präsentiert, der wegen der öffentlichen Kritik seiner Mutter am SED-Regime in einen Jugendwerkhof gebracht wurde. 16 der 18 Beiträge in den beiden Wettbewerben werden in Leipzig uraufgeführt.

Im Wettbewerb um den Publikumspreis langer Dokumentar- und Animationsfilm beschäftigt sich der Beitrag von Pamela Meyer-Arndt ebenfalls mit den Folgen des Widerspruchs gegen die DDR. „Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR“ porträtiert die drei Künstlerinnen Gabriele Stötzer, Cornelia Schleime und Tina Bara, die jede für sich in Konflikt mit dem Staat gerieten. 2019, im Jahr von Selenskyjs Wahlerfolg, führt „Drei Frauen“ von Maksym Melnyk in ein abgeschiedenes, ukrainisches Dorf nahe der EU-Grenze. Martyna Peszkos „Revolution 21“ begleitet ein Theaterensemble aus Spielbegeisterten mit Downsyndrom. Die drei Filme feiern in der diesjährigen Festivalausgabe ihre Weltpremiere.

Weitere Filme des Wettbewerbs erzählen von einer Outsider-Community im US-Bundesstaat Arizona und von einer Gruppe junger Menschen, die auf der Bühne den Einfluss des Krieges in der Ostukraine aufarbeiten.

Im Wettbewerb um den Publikumspreis kurzer Dokumentar- und Animationsfilm finden sich insgesamt zehn Werke, darunter ein Porträt der Band Moderat und ein filmisches Tagebuch aus Kyjiw im Frühjahr 2022.

In Ergänzung zum Filmprogramm finden drei thematische Gesprächsrunden statt. Der DOK Talk „animation@DOK Leipzig – Eine Filmgattung im Gespräch“ widmet sich den Animationsfilmen im aktuellen Festivalprogramm. „Das dirigierte Archiv – Material im Gespräch“ blickt unter anderem auf die Machtverhältnisse von Dokumentensammlung. Nicht zuletzt begrüßt beim DOK Talk „Architektur Film Kunst – Heinz Emigholz im Gespräch“ Ralph Eue einen der renommiertesten deutschen Dokumentarfilmer und Künstler. Parallel zum Festival ist in der Techne Sphere Leipzig vom 14. Oktober bis 1. November neben Emigholz‘ zahlreichen Filmen eine Auswahl seiner Zeichnungen zu sehen.

Insgesamt präsentiert das Festival 255 Filme und XR-Arbeiten aus 55 Ländern, darunter 67 Lang- und 179 Kurzfilme. Mit der traditionsreichen Kinobar Prager Frühling gewinnt DOK Leipzig ein neues Festivalkino im Süden der Stadt dazu.

Mit der Veröffentlichung des Filmprogramms inklusive aller Vorführzeiten ist auch der Ticketverkauf für die 65. Festivaledition gestartet. Einige der Filme präsentiert das Festival zudem bei freiem Eintritt in der Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs sowie im Polnischen Institut. Zugangsbeschränkungen für den Besuch der Festivalveranstaltungen sieht DOK Leipzig, der aktuellen Corona-Schutz-Verordnung folgend, zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Dringend empfohlen wird jedoch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während des gesamten Aufenthalts in den Spielstätten.

Zum Online-Filmprogramm inklusive allen Terminen & Ticketvorverkauf:
DOK Leipzig Programm



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