
Stadtschwärmer Leipzig
Wer keinen Insider kennt, schnappt sich dieses Buch und wird an die liebsten Orte von waschechten... Weiterlesen
Poker liegt im Trend. Mehr als 5 Millionen Leute zocken laut Schätzung der German Poker Player Association hierzulande bereits das spannende Kartenspiel. Die Leipziger bilden dabei keine Ausnahme.
Allerdings gibt es dabei einiges zu Bedenken, ehe zu den Karten gegriffen wird. Obwohl Poker zwar nur zum kleinsten Teil auf dem Glücksfaktor beruht und in erster Linie auf mathematischen Statistiken und Psychologie basiert, ist es vom Gesetzgeber als Glücksspiel eingeordnet. Dementsprechend streng ist geregelt, wo und unter welchen Bedingungen gezockt werden darf. Wenn es um Geld geht und Chips gekauft werden müssen, ist der Besuch einer landbasierten Spielbank oder eines in der Bundesrepublik zugelassenen Online-Casinos Voraussetzung.
Turniere sind eine weitere Möglichkeit, wenn sie denn offiziell angemeldet sind. Private Veranstaltungen, bei denen Geld im Spiel ist, können stattdessen rasch zum Übertreten des Gesetzes führen, selbst wenn dabei keine zwielichtigen Gestalten und dubiosen Hintergründe vorhanden sind, wie sie in dem auf einer wahren Geschichte beruhenden Hollywoodfilm “Molly’s Game” gezeigt werden.
Ohne finanzielle Einsätze darf allerdings überall gezockt werden, und wer von dem Spiel nicht genug bekommt, kann sich in Leipzig einem Poker-Verein anschließen oder sogar in der 2006 gegründeten deutschen Poker Bundesliga zocken. Im Casino Leipzig steht wie in den anderen sächsischen Spielbanken Video-Poker zur Verfügung. Das so genannte große Spiel, zu dem Poker am echten Tisch gehört, ist in Sachsen in der traditionellen Form nicht zu finden, aber im weniger als eine Dreiviertelstunde im Auto entfernten Leuna in Sachsen-Anhalt kann in stilvoller Atmosphäre in der dortigen staatlichen Spielbank nach Herzenslust gepokert werden. Wer nicht nur selbst spielen mag, sondern auch auf internationaler Ebene angesiedelte Turniere als Zuschauer erleben will, findet in der Spielbank Berlin am Potsdamer Platz dazu Gelegenheit. Verschiedene Pokertouren machen hier halt, und die üppigen Töpfe ziehen hochkarätige Spieler aus aller Welt an.
Von dem Vermögen von Phil Ivey können allerdings fast alle anderen Pokerspieler nur träumen.
Der US-Amerikaner, der um die Jahrtausendwende zum Superstar in dem anspruchsvollen Spiel geworden war, soll mittlerweile um die 100 Millionen US Dollar wert sein. Davon hat er allein 32 Millionen Dollar in Live-Turnieren, aber auch in Online-Events eigestrichen. Sponsoren- und Werbeverträge sowie Investments und mehr haben seine Konten weiter anschwellen lassen.
Obwohl Ivey und Co. absolute Ausnahmetalente sind, die ihre natürlichen Fähigkeiten durch intensives Studium und harte Arbeit weiter verfeinert haben, können auch Normalsterbliche von dem Pokerass lernen, sogar von einem Leipziger Sofa aus. Ivey und der ebenfalls als einer der besten Zocker der Pokergeschichte geltende Daniel Negreanu haben ihre eigenen Kurse bei dem Online-Unternehmen Masterclass, wo Pokernovizen, aber auch Fortgeschrittene sich jede Menge Tipps und Einsichten holen können. Diese Kurse sind allerdings englischsprachig, so wie auch die YouTube-Lektionen in “Poker Theory and Analytics” von einem Dozenten der US-Eliteuniversität MIT.
Weil Poker so stark von Wahrscheinlichkeiten beeinflusst ist, liegt ein Schwerpunkt darauf, erkennen zu lernen, wann sich eine Starthand überhaupt zu spielen lohnt und wie sich unter anderem der Sitzplatz am Tisch auf die eigenen Chancen auswirkt. Stars wie Ivey mögen gern aufs Ganze gehen. Für normale Spieler, ob nun im Verein, den Spielbanken in Leipzig, Dresden, Chemnitz oder Leuna, ist risikobewusstes Spiel eine gute Idee. Der MIT-Kursus legt dementsprechend Wert darauf, den Teilnehmern aufzuzeigen, wie sie nicht so offensichtliche Chancen erkennen, um mit geringen Einsätzen und niedrigem Risiko im Plus enden. Außerdem werden Verhaltensmuster analysiert, um so gut wie möglich die nächsten Schritte der Gegenspieler vorhersagen und sich darauf einstellen zu können.
Das Studium von Wahrscheinlichkeiten und die schonungslose Untersuchung der Kontrahenten, aber auch des eigenen Spiels ist längerfristig beim Poker das beste Erfolgsrezept. Erfahrene Spieler wissen, dass sie es in erster Linie mit dem Menschen hinter den Karten und erst in zweiter Linie mit der eigentlichen Hand zu tun haben. Sie fangen mit dem Datensammeln an. Das ist zwar nicht in ein, zwei Runden getan, aber wenn jeder Spielzug notiert wird, lassen sich anschließend Schlussfolgerungen ziehen, die etwa aufzeigen, welche Spieler sich ins Bockshorn jagen lassen, wer zum Bluffen neigt, und wer übereilt entscheidet. So gut wie jeder Zocker hat seine Schwachstellen, aber wer diese identifiziert hat, kann daran feilen.
Dazu gehört auch zu wissen, wann man von vornherein die Karten hinlegen sollte. Schwache Starthände auszusitzen ist im Poker alles andere als eine Niederlage. Im Gegenteil: Wer sich nicht auf seine eigenen Karten konzentrieren muss, kann das Spielgeschehen und die verschiedenen Charaktere am echten oder virtuellen Tisch viel leichter studieren und beurteilen. Jede Information trägt beim Poker schließlich zum Gesamtbild bei.
Gerade für Anfänger ist ein Online-Spiel leichter zu studieren, weil hier nur die Spielzüge analysiert werden, ohne von Mimik oder Gesten der Mitspieler abgelenkt zu werden. Weil das Online-Spiel auf das reine Pokergeschehen beschränkt ist, entfallen weitere Ablenkungen. Etliche erfolgreiche Zocker sehen im virtuellen Training sogar Vorteile für den Umstieg ins echte Casino oder große Turniere. Wer von vornherein gelernt hat, seine Schlussfolgerungen aus den Aktionen der anderen zu ziehen, ist weniger in Versuchung, auf verräterische Bewegungen zu hoffen.
Das heißt nicht, dass ein Studium von Körpersprache fehl am Platz ist. Pius Heinz, der als erster deutscher Pokerspieler im Jahr 2011 beim Main-Event der World Series of Poker in Las Vegas den Weltmeistertitel und einen Topf in Höhe von rund 8,7 Millionen US Dollar geholt hatte, ließ sich vorab von einem FBI-Profiler coachen. Der Triumph des damals erst 22 Jahre alten Heinz, der im Alter von 18 Jahren nach seinem Studienantritt in Wien mit dem Pokern angefangen hatte, soll auch mit auf das Zucken des Mundwinkels bei seinem letzten verbliebenen Kontrahenten zurückzuführen sein.
Obwohl kaum jemand ein derart intensives Training zurücklegen kann, lohnt es sich gerade beim Poker, jeden Vorteil zu nutzen, um mehr Informationen zu sammeln. Das gilt genauso für das gelegentliche Spiel zum Zeitvertreib wie für das auf Ranglisten abgestellte Pokern im Leipziger Verein oder die Teilnahme an offiziellen Turnieren der Pokertouren. Dabei macht es für den Gesetzgeber einen großen Unterschied, ob man als reiner Amateur zockt oder wie Phil Ivey und Pius Heinz im Profibereich um riesige Einsätze spielt.
Um Ruin und Suchtgefahr zur verhindern, sind im seit Juli 2021 geltenden Glücksspielländerstaatsvertrag für die seitdem bundesweit legalen Online-Casinos mit einer Lizenz aus der Bundesrepublik strenge Regeln geschaffen. Eine deutschlandweit geltende Sperrdatei, in die auffällige Spieler eingetragen werden oder in die sich sich freiwillig aufnehmen lassen können, gehört genauso dazu wie ein Panikbutton für die 24 Stunden geltende Eigensperre. Außerdem dürfen pro Person im Monat maximal 1000 Euro für jegliches Online-Glücksspiel eingesetzt werden.
Obwohl im Verein üblicherweise um Ruhm und Ehre statt um Bares gezockt wird, gelten die gleichen Voraussetzungen, um es als Pokerspieler zu etwas zu bringen. Die Konkurrenz ist groß in Deutschland, aber dafür ist es umso leichter, bei 5 Millionen Zockern ein paar Gleichgesinnte zu finden und online oder offline eine Runde zu bilden. Poker liegt im Trend.